Der Energiesystemsimulator (EnSySim) ist ein kleines, einfaches Tool, um ein Gefühl für die benötigten Größenordnungen von Kraftwerken und Energiespeichersystemen zu bekommen, wenn das Stromnetz zu nennenswerten Teilen aus nicht dauerhaft verfügbaren Quellen wie Photovoltaik oder Windkraftanlagen gespeist wird.
Der Simulator berechnet jeweils für ein Jahr in stündlicher Auflösung, welche Kraftwerke wie viel Strom erzeugen, ob Energie eingespeichert oder aus den Speichern entnommen wird und zu welche Kosten dabei entstehen. Als Ergebnis erhält man die zeitaufgelösten Daten in einem interaktiven Plot sowie einige Statistiken, z. B. die Zahl der Stunden, in denen der Strombedarf nicht gedeckt werden konnte und die Gesamtkosten über das simulierte Jahr. (Details zur Simulation unten.)
Eine Simulation beruht immer auf einer Konfiguration von Kraftwerken: Für jedes Kraftwerk wird die gewünschte Spitzenleistung eingegeben, außerdem können die Kosten anhand verschiedener Quellen ausgewählt (und bei Bedarf individuell modifiziert) werden und bei nicht-regelbaren Kraftwerken (Photovoltaik/Wind) stehen verschiedene Datensätze zur Verfügung, die in stündlicher Auflösung die mögliche Auslastung („Kapazitätsfaktor“) angeben. (Mehr zu den Datensätzen unten.)
Analog werden die Speichersysteme konfiguriert. Sie haben zusätzlich den wählbaren Parameter „Füllstand zu Beginn“ und das wichtige Energie-Leistungs-Verhältnis – es gibt an, wie lange man den Speicher mit voller Leistung (ent)laden kann, bis er komplett voll (leer) ist. Ist er zu groß, kann es passieren, dass es selbst bei gefüllten Speichern zu einer Unterversorgung im Netz kommt, weil die Speicher nicht genug Leistung bereitstellen können. Die Ladestrategie kann durch den Parameter Max. Ladekosten eingestellt werden: Ist er Null, wird nur kostenloser Überschussstrom (bezogen auf die variablen Kosten) zum Laden dieses Speichers verwendet. Durch Erhöhen dieses Wertes wird eine konservativere Strategie genutzt, d. h. Speicher auch mit teuren Kraftwerkskapazitäten geladen.
Der letzte wichtige Input für die Simulation ist die Lastkurve. Sie gibt für jede Stunde im Jahr an, wie viel Strom benötigt wird, um den Verbrauch zu decken. Hierfür stehen verschiedene Datensätze zur Auswahl, die teilweise auf historischen Daten beruhen, teilweise darauf basierend Prognosen machen, die z. B. die Nutzung von Wärmepumpen und Elektroautos berücksichtigen. Der Gesamtstrombedarf in einem Jahr ergibt sich als Summe über die stündlichen Werte. Nach Auswahl einer Lastkurve kann dieser noch verändert werden, dies führt zu einer gleichmäßigen Reskalierung aller Werte. Es ist möglich einen gewissen Prozentsatz der Last um bis zu tdyn Stunden zu verschieben. Dies erlaubt eine Lastdynamisierung, die in der Realität z. B. durch strompreisabhängiges Laden von Elektroautos oder Reduzieren bestimmter Industrieprozesse bei Lastspitzen vorkommen kann.
Wenn alle Einstellungen getroffen wurden, startet ein Klick auf den Knopf Simulation starten die Rechnung. Die Ergebnisse werden direkt darunter in Grafiken und einer Tabelle dargestellt. Mit der Maus kann in der Grafik gezoomt werden, um z. B. einzelne Tage oder Wochen näher zu betrachten. Ein Doppelklick setzt die Ansicht wieder zurück. Falls die gewählte Konfiguration nicht geeignet ist, den Strombedarf zu jedem Zeitpunkt zu decken, sind die Stunden mit „Blackout“ (d. h. weniger bereit stehender Strom als Bedarf) im Plot rot hinterlegt.
Ein Klick auf „Konfiguration teilen“ erzeugt einen Link, über den die zuletzt eingestellte Konfiguration (inkl. manueller Veränderungen an Parametern) geteilt und verbreitet werden kann (Rechtsklick auf den Link → kopieren).
Die Simulation ist aus zwei Gründen bewusst sehr simpel gehalten: Erstens findet sie vollständig im Browser statt, so dass die Komplexität der Rechnung nicht zu hoch sein darf. Zweitens soll sie leicht nachvollziehbar sein, so dass man verstehen kann, weshalb es z. B. in manchen Konfigurationen zu Problemen kommt. Es ist dadurch aber klar, dass viele Effekte nicht berücksichtigt werden. Die Wesentlichen sind die vorausschauende Befüllung von Speichern und die Sektorenkopplung. Beide würden es bei einer gegebenen Kraftwerkskonfiguration erleichtern, den Strombedarf zu decken, so dass diese Simulation in einigen Aspekten als worst-case-Fall angesehen werden kann. Wenn allerdings z. B. nennenswerte Anteile an Kernenergie simuliert werden, wirkt es sich auch stark aus, dass für die regelbaren Kraftwerke keinerlei Grenzen angenommen werden. Wenn es zur Deckung des Strombedarfs nötig wäre, würde die Simulation von einer Stunde zur nächsten ein Kernkraftwerk von 0 auf 100% regeln, was in der Realität nicht möglich ist. Diese Grenzen des Modells müssen bei der Interpretation berücksichtigt werden!
Die Simulation funktioniert wie folgt: Für jede der 8760 Stunden wird zunächst versucht, die nicht verschiebbare Last (inkl. der Last, die vor tdyn verschoben wurde und die jetzt bedient werden muss) durch Hochfahren von Kraftwerken zu decken – und zwar in der Reihenfolge ihrer Grenzkosten (variable Kosten). Sind noch Kraftwerksreserven verfügbar, wird weitere in den vorigen Stunden verschobene Last gedeckt, sofern vorhanden. Ist sämtliche Last gedeckt und noch weiterer kostenloser Strom (variable Kosten = 0, d. h. Strom aus Wind- oder Sonnenenergie) übrig, werden die Speicher geladen – und zwar sortiert nach Effizienz (effiziente Speicher zuerst). Ist dagegen zu wenig Strom aus Kraftwerken verfügbar, um die nicht verschiebbare Last zu decken, werden Speicher entladen – wiederum in der Reihenfolge der Effizienz.
Der Code zu diesem Simulator steht unter der freien MIT-Lizenz und kann unter ensysim.git heruntergeladen werden (git clone https://ensysim.elfram.de/ensysim.git). Die Daten, die aus anderen Quellen stammen, können andere Lizenzen haben, siehe unten TODO.
Die Datensätze und Parameter, die für Kraftwerke, Speicher und Lastkurven ausgewählt werden können, wurden verschiedenen Quellen entnommen:
Jedes der folgenden Beispiele beginnt mit einem klickbaren Link, der die entsprechende Konfiguration in den Simulator lädt. Mit Klick auf „Simulation starten“ unter der Konfiguration kann dann das Beispiel berechnet werden.
Status quo: Die Kraftwerksleistung stammt vom UBA, wobei alle konventionellen nicht-nuklearen Kraftwerke als Gaskraftwerke zusammengefasst wurden. 10 GWh Batteriespeicher wurden konfiguriert, um zu zeigen, dass im aktuellen Stromnetz kein Bedarf für großskalige Speicher besteht. Photovoltaik und Windenergie werden praktisch vollständig genutzt, genauso die (hier günstig angenommene) Kernenergie. Im Strommix des Gesamtjahres werden etwa 40% erneuerbar erzeugt, 15% aus Kernenergie (etwas überschätzt, weil keine Wartungszeiten etc. vorkommen) und der Rest aus regelbaren fossile Kraftwerken.
Jahr 2030 von KNS 2035 ist ein Zwischenschritt im Energiewende-Szenario von Agora Energiewende. Es kann nicht 1:1 abgebildet werden, es zeigt sich aber, dass mit den angenommenen installierten Leistungen für Wind und PV der Bedarf gedeckt und mit Überschussstrom H2 erzeugt werden kann. Dieser wird hier nicht verbraucht, weil Speicher in dieser Simulation erst greifen, wenn alle Kraftwerke ausgelastet sind. Es ist zu beachten, dass in dem Szenario rund 30% der Batteriespeicherkapazität in netzdienlichen Autos verbaut ist. Daher sind die längeren Phasen vollständiger Entladung kritisch zu betrachten, weil die Autobatterien nicht dauerhaft zur Verfügung stehen.
Jahr 2035 von KNS 2035 ist das Zielszenario der o.g. Agora-Energiewende-Studie. Es ist gekennzeichnet durch stark ausgebaute EE-Leistungen und in der hier vorgeschlagenen Konfiguration auf 20 GW reduzierte regelbare Kraftwerksleistung. Dies führt zu einem starken Gebrauch der Batteriespeicher und trotz niemals leerer Wasserstoffspeicher zu 45 Stunden mit Lastunterdeckung. Eine Erhöhung der H2-Leistung (Energie-Leistungs-Verhältnis) kann dieses Problem lösen. Es braucht also genügend Kraftwerke, die Wasserstoff wieder in Strom (oder ggf. Wärme) umsetzen.